Soziale Netzwerke
Craigslist macht alles – ausser Werbung
Craigslist, einer Art Schwarzes Brett mit Kleinanzeigen im Internet.
Craig Newmark hat 1995 ein Schwarzes Brett gegründet. Auf seiner Website lassen Besucher jeden Monat Milliarden von Klicks – eine Goldgrube. Doch Newmark hat kein Interesse an schnellen Dollars. WELT ONLINE verrät er seine Ziele.
Idealist mit Riesen-Erfolg: Craig Newmark, Gründer des sozialen Netzwerks craigslist
Mittlerweile erreicht Craigslist sechs Milliarden Seitenaufrufe im Monat – unfassbar viel für eine Seite, die das Gegenteil von ansehnlich, modern oder originell ist. Was zählt, ist, dass man hier schnell an eine neue Wohnung, ein Ersatzteil für das Auto oder einen Lebensabschnittsbegleiter kommt, ohne eine Provision zahlen zu müssen.
Websites wie Craigslist nennen sich in der neuen Sprache des Internets „Soziale Netzwerke“. Dazu gehören beispielsweise auch YouTube, MySpace oder das deutsche StudiVZ: Leute treffen sich auf diesen Seiten, um miteinander zu plaudern, sich gegenseitig Bilder und Videos zu zeigen oder Ausgehtipps zu schicken. Im Unterschied zu den Gründern von YouTube und Co. hat Craig Newmark seine Firma allerdings nicht an einen Medienmulti verkauft. Anfragen dafür gab es eine Menge. „Hin und wieder klopft mal jemand an“, erzählt Newmark abgeklärt. Er kennt das. Die Antwort ist immer dieselbe: „Wir sind nicht interessiert. Bei den meisten ist diese Botschaft mittlerweile angekommen.“
Während bei anderen Social Networks das Netzwerken groß- und der soziale Aspekt eher kleingeschrieben wird – es sei denn, man versteht darunter allgemeines Anbaggern –, haben sich Craig und seine gut 20 Mitarbeiter in San Francisco eine Mission gegeben. Werbung auf den Seiten kann man lange suchen, denn es gibt sie nicht. Das Credo lautet Hilfe zur Selbsthilfe.
Erfolgsgeheimnis? “Hat sich einfach so ergeben”
Die Community wird’s schon richten, Craigslist ist nur das Scharnier zwischen den Nutzern. Die organisieren sich im Prinzip selbst – zweifelhafte Angebote und obszöne Wortbeiträge werden gekennzeichnet und entsprechend von der Seite genommen. Im Jahr 1995 ging Craigslist dann online. „Alles Weitere hat sich einfach so ergeben“, sagt Craig Newmark. Einen richtigen Businessplan habe das Unternehmen nicht, beteuert der Gründer. „Entscheidungen treffen wir, wenn sie anstehen.“
Wobei sich der ausgesucht höflich auftretende, aber ebenso zurückhaltende Craig mit Entscheidungen schwertut: „Ich bin da nicht gut drin.“ Die nimmt ihm dann sein Kumpel und Kollege Jim Buckmaster ab. Das lässt Newmark Zeit, rund 14 Stunden am Tag dem nachzugehen, worin er gut ist: der Betreuung seiner Kunden. Und so kümmert er sich rund um die Uhr um Anfragen der Nutzer. „Ich bin eben kein Unternehmer.“
Viel lieber als über sich – aufgewachsen in New Jersey, Studium der Informatik, Programmierer bei IBM und dort Anfang der 90er entlassen, später Berater für den Online-Broker Charles Schwab – spricht Craig über sein neues Steckenpferd. „Ich interessiere mich sehr dafür, wie der Journalismus sich verändert.“ Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 habe ein Großteil der Presse seinen Auftrag nicht erfüllt: den Mächtigen die Meinung zu geigen, kritische Fragen zu stellen. „In der amerikanischen Geschichte gab es immer Phasen, in denen die Leute von der Regierung für dumm verkauft wurden. Auch jetzt beauftragen Politiker PR-Firmen, die die Bürger desinformieren sollen. Mit dem Internet werden diese Phasen kürzer.“
Wenn Newmark, zunehmend auch in öffentlichen Gesprächsrunden und auf Kongressen, über die wichtige Funktion des Internets für die Demokratie spricht, legt er seine Schüchternheit ab. „Wir müssen uns besinnen“, ruft er dann den Zuhörern zu und sagt: „Ihr könnt der Community vertrauen.“ Er selbst hat sich besonnen und spendet Geld für Journalismusprojekte im Internet. Dazu gehören Websites wie Daylife, NewsTrust oder die Sunlight Foundation.
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In vielen Artikeln wurde der unfreiwillig zur Internet-Ikone aufgestiegene Craig als „Zeitungskiller“ bezeichnet, weil seine kostenlosen Kleinanzeigen das Rubrikengeschäft amerikanischer Verlage heftig dezimierten. Und nachdem seine Craigslist erst das Geschäftsmodell von Medienunternehmen infrage gestellt hat, kritisiert er nun den Journalismus, der dort betrieben wird. Ein Affront? Er selbst sieht das überhaupt nicht so. „Ich tue nur, was ich für richtig halte.“ Im Übrigen lese er regelmäßig zwei Tageszeitungen. Und meint das gar nicht ironisch.
Quelle:
http://www.welt.de/webwelt/article767274/Craigslist_macht_alles_ausser_Werbung.html
http://en.wikipedia.org/wiki/Craigslist
http://www.answers.com/topic/craigslist
http://www.opinionjournal.com/editorial/feature.html?id=110008531